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Stillförderung Schweiz

Fachtagung Lausanne

Mittwoch, 9. September 2015, Maternité CHUV, Lausanne
 
«Einflüsse auf die Muttermilch»

Dieses Jahr widmet sich der fachliche Beitrag zur Weltstillwoche den positiven Eigenschaften der Muttermilch und einigen wichtigen Einflussfaktoren. Gerne lädt die Stillförderung Schweiz zur interdisziplinären Tagung unter dem Titel «Einflüsse auf die Muttermilch» ein.
Nebst Referaten freuen wir uns auch auf den fachlichen Austausch zwischen den Disziplinen.
Programm
An der Fachtagung in Lausanne konnten wir 92 Teilnehmende begrüssen. Davon haben 75 den Fragebogen ausgefüllt.
Evaluation
Die  Fachtagung  wurde in Zusammenarbeit mit der Maternité CHUV und der Unterstützung  des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Gesundheitsförderung Schweiz und Medela AG realisiert.
Wir danken allen Beteiligten.
 

 
 


Abstracts und Folien der Referate:

PD Dr. Andreas Nydegger,
Leitender Arzt, Pädiatrische Chirurgie, Abteilung pädiatrische Gastroenterologie, CHUV

Mit der Ernährung zusammenhängende Krankheiten beim Kleinkind: Koliken, Reflux, Allergien und Verstopfung

Muttermilch ist die beste Ernährung für das Kind. Ausschliessliches Stillen wird von der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie während vier Monaten empfohlen, von der WHO während sechs Monaten. Ist Stillen aus irgendeinem Grund nicht möglich, kann teilweise oder ganz auf Ersatznahrung ausgewichen werden.

Während der ersten zwölf Lebensmonate können beim Kind verschiedene Verdauungsstörungen auftreten, welche die Nahrungsaufnahme und somit das Wachstum beeinflussen. Glücklicherweise handelt es sich dabei meist um vorübergehende und harmlose Erscheinungen, sie können jedoch beim Kind Schmerzen auslösen, die Eltern beunruhigen und somit zu Konsultationen beim Hausarzt oder sogar zu unnötigen Behandlungen führen.

Koliken: Beginn im Allgemeinen nach zwei Wochen mit einem Höhepunkt im Lauf des zweiten Monats. Oft weint das Kind lange und ist untröstlich. Anfang und Ende sind nicht vorhersehbar. Es handelt sich eher um ein Entwicklungs- als um ein Verdauungsproblem, in seltenen Fällen kann eine Allergie der Grund sein.

Reflux: In 99 % der Fälle handelt es sich um einen physiologischen Reflux. Zu beachten ist die Unterscheidung zur gastroösophagealen Refluxkrankheit, die eine ärztliche Behandlung erfordert. Der physiologische Reflux führt beim Kind zu keinen Symptomen ausser Regurgitieren, das Wachstum ist nicht beeinträchtigt. Bei 95 % der Kinder ist der Reflux nach 12 Monaten wieder verschwunden, bei den anderen nach dem zweiten Lebensjahr. Symptome einer Refluxkrankheit können sich sowohl in Bezug auf die Verdauung (Sodbrennen, Opisthotonus, Regurgitationen usw.) als auch anderweitig zeigen (Wachstumsstörungen, Asthma, Lungenentzündung usw.).

Allergien: Nahrungsmittelallergien bei Kleinkindern betreffen fast immer die in der Kuhmilch enthaltenen Proteine. Die meisten dieser Allergien sind nicht IgE-vermittelt und rufen chroni-sche, oft wenig spezifische Symptome hervor (Schmerzen, Reflux, Nahrungsverweigerung usw.). In praktisch allen Fällen erweisen sich die Allergien als vorübergehend, und man sollte regelmässig versuchen, die entsprechenden Nahrungsmittel wieder einzuführen. Stillen bietet Schutz und ist deshalb immer vorzuziehen.

Verstopfung: Verstopfung ist bei Kindern häufig, mit einer weltweiten Prävalenz von rund 3 %. Die ersten Symptome zeigen sich bei 17 bis 40 % der unter Verstopfung Leidenden schon im ersten Lebensjahr. Erste Fälle von hartem Stuhl treten typischerweise nach dem Ende des Stillens und dem Einführen fester Nahrung auf. Die Behandlung von Verstopfung sollte früh beginnen und dauert oft längere Zeit.
Folien (französisch)

Etienne Weisskopf, Doktorand in Pharmazie, Universität Genf und CHUV, Lehrstuhl für klinische Pharmazie, Apothekerschule Genf/Lausanne

Welches Risiko stellen Medikamente dar, die über die Plazenta oder die Muttermilch in den Körper des Kindes gelangen?

Nicht selten müssen auch während der Stillzeit ein oder mehrere Medikamente eingenommen werden, und oft werden die damit verbundenen Risiken für das Neugeborene von Patientinnen und Gesundheitsfachpersonen anders beurteilt. Eine Überbewertung des Risikos kann jedoch dazu führen, dass das eigentlich erwünschte Stillen ohne ausreichenden Grund unterbrochen oder auf eine notwendige medikamentöse Behandlung verzichtet wird.

Entgegen einem verbreiteten Vorurteil wirkt sich eine medikamentöse Behandlung der Mutter oft nur begrenzt auf das gestillte Kind aus. Zwar beeinflussen die physikalisch-chemischen Eigenschaften (z. B. Molekulargewicht, Fettlöslichkeit) und die pharmakokinetischen Charak-teristika (z. B. Bioverfügbarkeit, Halbwertszeit) des Medikaments seine Aufnahme in die Muttermilch, doch sind es vor allem die Konzentration im mütterlichen Blut und die vom Kind getrunkene Milchmenge, die das Ausmass der Belastung für das Kind bestimmen. Diese Belastung über die Muttermilch ist in den meisten Fällen deutlich niedriger als jene über die Plazenta. Erhöhte Vorsicht ist in manchen Situationen dennoch angezeigt, vor allem im Hinblick auf das Risiko einer Akkumulation (z. B. infolge der verlangsamten Ausscheidung beim Neugeborenen, bei Medikamenten mit sehr langer Halbwertszeit). In gewissen Fällen lässt sich mit praktischen Massnahmen, unter Berücksichtigung des pharmakokinetischen Profils des Medikaments, die Belastung des gestillten Kindes verringern.

Aufgrund methodologischer Einschränkungen ist die Datengrundlage zum Übergang von Medikamenten in die Muttermilch oft ungenügend. Dies schlägt sich auf die offiziellen Monografien nieder, in denen fast immer von Medikamenten während der Stillperiode abgeraten wird oder diese sogar als kontraindiziert bezeichnet werden. Es ist deshalb unumgänglich, bei jeder therapeutischen Entscheidung spezialisierte Nachschlagewerke zu konsultieren.
Folien (französisch)

Professor Luc Marlier, Centre National de la Recherche Scientifique, Labor ICube, Medizinische Fakultät

Vorgeburtliche Sinneserfahrungen und Entwicklung des Geschmacks beim Kleinkind


Skepsis gegenüber einem neuen Nahrungsmittel ist eine ganz normale, dem Selbstschutz dienende Reaktion, die jedes Kind schon früh zeigt. Ohne das geringste Zögern nimmt jedoch das Neugeborene schon beim ersten Anlegen die Muttermilch an. Worauf beruht die Anziehungskraft der Muttermilch? Wird das Kind schon vor der Geburt auf dieses erste Nahrungsmittel vorbereitet?

Um besser zu verstehen, welche Erfahrungen in Bezug auf Gerüche und Nahrungsmittel der Fötus im Verlauf seiner Entwicklung macht, müssen wir uns mit dem Fruchtwasser beschäf-tigen. Es zeigt sich, dass die am Wahrnehmen von Nahrung beteiligten Sinnessysteme schon nach den ersten drei Monaten der Schwangerschaft ausgereift sind und dass das Fruchtwasser eine grosse Auswahl von Geruchs- und Geschmacksreizen anbietet, welche die entsprechenden Rezeptoren aktivieren können. Manche Moleküle gehören zur Grund-ausstattung des Fruchtwassers, andere gelangen aufgrund der Esskultur und der Vorlieben der Mutter hinzu. Das Gehirn des Fötus ist schon lange vor der Geburt fähig, diese Sinnesinformationen aufzunehmen und bis nach der Geburt zu speichern. So wird das Kind gleich zu Beginn seines Lebens von Aromen angezogen, die seine Mutter regelmässig aufgenommen hat.

Mehrere Studien konnten nachweisen, dass das Neugeborene die Geruchs- und Nahrungs-informationen, die es im Uterus gespeichert hat, sofort abruft und mit ihrer Hilfe insbesondere den Weg zur Mutterbrust findet. In einem Auswahl-Experiment zeigte sich, dass Kinder vom Geruch der ersten Milch, des Kolostrums, genau gleich stark angezogen wurden wie von jenem des Fruchtwassers. Da sich beide Flüssigkeiten im Geruch ähnlich sind (der Einfluss der letzten Mahlzeiten der Mutter ist bemerkbar), lässt die fehlende Vorliebe für eine der beiden auf eine gewisse Kontinuität vom Fruchtwasser zum Kolostrum schliessen. Dies kann erklären, weshalb das Neugeborene die Muttermilch ohne zu zögern annimmt.

Das Trinken an der Brust ermöglicht weitere Sinneserfahrungen. So konnte gezeigt werden, dass sich ein Neugeborenes rasch an Gerüche der Brust (z. B. den einer Salbe gegen rissige Haut) oder an ein bestimmtes Aroma der Milch gewöhnt und diese in der Folge allen anderen Gerüchen vorzieht. Überraschenderweise erweisen sich diese Geruchserfahrungen als sehr bestimmend, da die so erworbenen Vorlieben während Jahren bestehen bleiben. Es ist nicht auszuschliessen, dass ihr Einfluss noch bis ins Erwachsenenalter spürbar ist.

Die Sinnesreize, denen das Kind während der Schwangerschaft, der Stillzeit und später bei der direkten Aufnahme der Nahrungsmittel ausgesetzt ist, formen also seine sensoriellen und kognitiven Systeme und beeinflussen seine Erwartungen oft auf lange Sicht. Die Vorlieben für gewisse Nahrungsmittel sind somit in mehr oder weniger starkem Mass vorgespurt.
Artikel von Luc Marlier 2007 (französisch)
Artikel von Luc Marlier 2009 (französisch)


 

 
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